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Da ich gelegentlich nach meiner Meinung zum Thema Impfen gefragt werde und weil das Thema derzeit die Gesellschaft so stark polarisiert, möchte ich mit diesem Beitrag eine erste Orientierungsmöglichkeit bieten, denn Lagerbildung und Simplifizierung werden der Komplexität des Gegenstandes nicht gerecht. Die folgenden Gedanken stammen aus einer Stellungnahme des Netzwerks Evidenzbasierte Medizin (EbM) und der gesamte lesenswerte Text findet sich hier.

Die Stellungnahme aus 2019 unter dem Titel „Impfpflicht versus informierte Entscheidung“ fordert eine differenzierte Bewertung von Impfungen sowie evidenzbasierte Entscheidungshilfen für jeden Patienten, statt einer Generalisierung in die eine oder andere Richtung: „Wir können ja auch nicht behaupten, dass chirurgische Eingriffe generell nützlich oder abzulehnen sind, sondern analysieren jede einzelne Indikation und differenzieren die operativen Verfahren. So ist auch jede Impfung für sich unter den Aspekten von Wirksamkeit, unerwünschten Effekten und Kosten zu beurteilen.“

Zu einer differenzierten Bewertung gehören folgende Fragen laut Netzwerk EbM: Wie lebensbedrohlich ist eine Erkrankung und wie häufig tritt sie auf? Wie lange hält die Immunität gegen die Erkrankung an? Macht das eingesetzte Impfverfahren unerwartete neue Probleme, wenn z.B. eine sonst harmlose Krankheit, unter der man lebenslange Immunität erlangt, aufgrund eines nicht anhaltenden Impfschutzes zunehmend im Erwachsenenalter auftritt? Wie wirksam ist die Impfung, wenn sich Erregertypen, gegen die geimpft wurde, verändern? Unerwünschte Nebenwirkungen von Impfungen sollten laut EbM ebenfalls differenziert analysiert und bestehende Unsicherheiten, z.B. von Adjuvantien (Wirkstoffverstärker), dargelegt werden. Für viele Impfempfehlungen blieben offene Fragen, die durch langfristige Beobachtungen und gute Studien geklärt werden müssten. Zweifellos können viele Impfungen vulnerable Gruppen vor einer Infektion schützen, daher sei immer auch das Erkrankungsrisiko anderer Menschen zu berücksichtigen, weshalb Herdenimmunität bzw. Gemeinschaftsschutz ein relevanter Endpunkt bei der Bewertung von Impfstoffen sei.

„Die Kommunikation über den möglichen Nutzen und Schaden einer medizinischen Maßnahme, also auch einer Impfung, ist ein wesentliches Element der EbM. Das Patientenrechtegesetz sichert den Bürgern Aufklärung und informiertes Entscheiden zu.( …) Das EbM-Netzwerk fordert daher die Bereitstellung von Entscheidungshilfen, die als Grundlage für informierte Entscheidungen eingesetzt werden können. Wir empfehlen, differenziert zu jeder einzelnen Impfung aufzuklären.“

Welche Impfungen sind also sinnvoll und welche nicht zwingend? Die Antwort auf diese Frage wird  immer auch eine individuelle sein vor dem Hintergrund der eigenen gesundheitlichen und persönlichen Situation: Die Impfnotwendigkeit ergibt sich aus der Gefahrenlage.

Meine Empfehlung ist, den/die (Kinder-)Arzt/Ärztin des Vertrauens um eine ausführliche individuelle Beratung zu bitten. Auch ich stehe dafür gern ergänzend zur Verfügung.